«Wir sind so sicher wie eine Bank.»

Wer Vermögen verwaltet, hat im Schnitt drei bis fünf Banken als Partner. Das Fintech One PM hilft, die Daten aller Banken zusammenzuführen. Ein Gespräch mit CEO Fabio Giuri, der mit One PM nicht das erste Business aufbaut.

Herr Giuri, welche Probleme löst Ihre Firma One PM?

Fabio Giuri: Weltweit finden jährlich 10 Milliarden Wertschriftentransaktionen statt. Jede Bank hat ihre eigene Datenstruktur. Für Vermögensverwalter oder Family Offices ist es sehr aufwendig, die Daten der verschiedenen Institute zu sammeln, zu aggregieren und zu analysieren. Wir bauen eine Schnittstelle zu den Banken und bereiten die Daten in einem einheitlichen Format auf.

Was macht der Kunde dann damit?

Er hat den zentralen Überblick über seine Portfolios, seine Zahlungs- und Wertschriftentransaktionen bei den verschiedenen Banken und kann seine Daten analysieren, um daraus einen Mehrwert zu generieren.

Wie lief das bisher ab?

Oft mit Mantech: Man nimmt alle Bankbelege, tippt sie händisch in ein Programm und hat so die konsolidierte Übersicht. Oder, etwas fortschrittlicher: Man scannt die Bankbelege ein, so sind sie bereits digitalisiert. Das Zusammenführen muss aber nach wie vor ein Mensch erledigen…

... den es bei Ihrer Lösung nicht mehr braucht?

Nahezu. Die Bank schickt uns einen Datenfeed, in dem die Transaktionen digital aufbereitet sind. Das geschieht über verschiedene Kanäle, bspw. Swift, Ebics, SFTP, Blink, in verschiedenen Formaten, bspw. swift, xls, csv oder txt. Wir haben einen Automatisierungsgrad von rund 98 Prozent, das ist von Bank zu Bank unterschiedlich. Der Rest wird manuell verbucht.

Ihr Tool verursacht zusätzliche Kosten.

Wir digitalisieren, wir automatisieren. Das bringt erstens eine Kostenersparnis und zweitens neues Ertragspotenzial: Wer mit seinen Daten etwas anfangen kann, kann daraus wiederum Produkte und Dienstleistungen entwickeln. Grössere Unternehmen können bis zu 80 Prozent ihrer Wertschriftenbuchhaltung einsparen.

Sie sind vermutlich nicht die ersten, die auf diese Idee gekommen sind?

Nein, es gibt sehr viele PMS-Tools (Portfolio Management System), sie sind insbesondre in den letzten Jahren aus dem Boden geschossen. Aber wir waren schon sehr früh dabei. Unsere Firma wurde 2015 gegründet. Ausserdem bieten wir mehr als ein reines PMS-Tool, weil unsere Kunden aus der Datenanalyse neue Erkenntnisse und Chancen gewinnen können.

In den USA kann man anderen Dienstleistern Zugriff aufs E-Banking gewähren.

Wer ist die Konkurrenz?

Im PMS-Bereich beobachten wir viele im Raum Zürich tätige Fintech-Unternehmen. Wenn es um die automatisierte Verarbeitung von Zahlungsverkehr- und Wertschriftentransaktionsdaten geht, sind es in der Schweiz eine Handvoll.

Ist der Markt gross genug für alle?

Es findet jetzt schon eine Konsolidierung statt. Grossbanken und grosse Investorengruppen interessieren sich allmählich für das Thema «Open Banking»: Es wird aufgekauft, was auf dem Markt ist.

Die First Advisory Group aus Liechtenstein ist Ihr Mehrheitsaktionär.

Das Unternehmen startete mit den drei F als Investoren: Friends, Family and Fools. Dann engagierte sich ein erweiterter Kreis. 2019 wurde die CSL Corporate Services, eine Tochtergesellschaft der First Advisory Group, Aktionär und strategischer Partner und übernahm 2020 die Mehrheit der Anteile. Wir sind aktuell wieder in einer Finanzierungsrunde und daher auch bereit, wieder Aktienanteile an einen geeigneten Investor abzugeben.

Hat die One PM zahlende Kunden?

Ja. Unter anderem zwei grosse Vermögensverwalter in der Schweiz, ein grosses Family Office in Hong Kong, die First-Gruppe sowie ein weiteres namhaftes internationales Industrieunternehmen.

Was hebt Sie von der Konkurrenz ab?

Wir sind der einzige Anbieter in der Schweiz mit Swift-Zertifizierungen, das heisst, wir werden wie eine Bank auditiert und haben Zugang zu hoch standardisierten Finanzdaten. Salopp gesagt: Wir sind so sicher wie eine Bank.

Zu wie vielen Banken haben Sie bereits eine Schnittstelle?

Derzeit sind rund 50 Banken an unser System angeschlossen.

Wie reagieren die Banken?

Einige sind im Thema «Open Banking/Open Wealth» bereits sehr weit. Besonders eher kleinere Institute und Kantonalbanken fallen positiv auf. Die Grossbanken sehen das Thema auch, verhalten sich aber teilweise eher defensiv, da sie die alleinige Hoheit über den Kunden ein Stück weit abgeben. Doch Open Banking kommt. Entweder spielen auch die Grossbanken mit, oder sie sind nicht Teil dieses Zukunftsmarktes. Die grossen Banken haben aktuell jedoch immer noch genug Präsenz und Marktmacht, um Entwicklungen zu steuern.

Müssen Sie ans Kernbankensystem andocken?

Nein, unsere Anbindung findet ans E-Banking statt.

Sind die Daten sicher und geschützt?

Unsere Lösung wurde auf C# programmiert. Wir haben alles auf einer Swiss Private Cloud. Jeder Kunde hat eine eigene virtuelle Maschine. Die Daten verlassen niemals den Raum Schweiz/Liechtenstein. Die Swift-Zertifizierung mit dem Bank-Audit zwingt uns, höchste Standards einzuhalten.

Wer macht die operative Arbeit?

Wir sind ein Team von 15 Mitarbeitenden, unsere Büros sind in Sihlcity. Fast alle unsere Entwickler sind ETH-Abgänger, im Sales und in Operations arbeiten ehemalige Bank- und Versicherungsexperten der UBS, CS, Allianz und von Julius Bär.

Wie haben Sie die IT-Fachkräfte gefunden?

IT-Experten können sich tatsächlich aussuchen, wo und für welchen Preis sie arbeiten wollen. Es ist ein Arbeitnehmermarkt. Wir hatten letztes Jahr rund zehn Neuanstellungen. Wir hatten bisher immer viel Glück, und gute Leute haben den Weg zu uns gefunden.

Wo möchten Sie wachsen?

Derzeit haben wir unseren Schwerpunkt in der Schweiz und Liechten stein. Wir beliefern aber auch asiatische Family Offices und einzelne europäische Kunden. Mittelfristig wollen wir in Europa wachsen. Wir können einen Mehrwert für Versicherungsgesellschaften, Pensionskassen, Finanz-und Wertschriftenbuchhalter bieten. Unsere Software ist auf Englisch und Deutsch verfügbar. Unsere Vision: Wir wollen der führende Finanzdatenprovider in Europa werden und uns als unabdingbare Datendrehscheibe etablieren.

Ist der Markt dafür bereit?

Die Pandemie sorgte für einen grossen Digitalisierungsschub. Jetzt steht das Thema zuoberst auf der Agenda des Managements der Firmen, also: Ja.

Wäre Ihre Lösung nicht auch für Private attraktiv?

Auch Private haben mehrere Konten, da kann man schon mal den Überblick verlieren. Es gab mit Numbrs in der Schweiz beispielsweise Bestrebungen, eine Open-Banking-Plattform für Endkonsumenten zu kreieren. Technisch möglich ist es. Die Frage ist, ob die Finanzinstitute bereit sind, hierfür Schnittstellen anzubieten. Ein UHNWI (Ultra high-net-worth individual, eine sehr vermögende Person – die Redaktion) hat mehr Macht, um die Bank aufzufordern, die Daten zu liefern. Der Otto Normalverbraucher findet hier weniger Gehör. Dabei wäre es megaeinfach. In den USA beispielsweise kann man vielen Fintechs Zugriff aufs eigene E-Banking geben, um deren Dienstleistungen zu nutzen.

Dieser Artikel wurde erstmalig am 6. Mai 2022 im "Wirtschaft regional" des Vaduzer Medienhauses veröffentlicht.